Trockenwerden beginnt im Kopf

Die Blase-Hirn-Kommunikation: Was dein Kind (noch) nicht in Worte fassen kann, aber jeden Tag fühlt

Kennst du das Gefühl, wenn du ganz dringend musst – und dann kommt plötzlich Stress dazu, du verkrampfst dich, und irgendwie geht gar nichts mehr? Willkommen im faszinierenden Zusammenspiel von Blase, Hirn und unseren Schliessmuskeln.

 

Bei Kindern, die trocken werden wollen, spielt genau dieses Zusammenspiel eine zentrale Rolle. Denn das „Trockenwerden“ ist keine Frage von irgendeiner Hirnreife oder irgendwelchen Hormonen, die erst mit dem Alter von 3 Jahren produziert werden (du glaubst gar nicht, wie viel Schrott ich schon darüber gelesen habe), sondern ein aktives Zusammenspiel von Körperinnenwahrnehmung, funktionierenden Nervenbahnen, Muskelkontrolle und der Fähigkeit sich zu entspannen. Zeit, da mal etwas genauer hinzuschauen!

Wie funktioniert die Blasenentleerung eigentlich?

Ganz grob gesagt: Die Harnblase ist ein dehnbares Speicherorgan für Urin. Sie meldet sich, sobald sie sich füllt. Und zwar nicht direkt beim ersten Tropfen – sondern wenn ein gewisser Dehnungsgrad = Füllstand erreicht ist.

 

Diese Dehnung registrieren feine Rezeptoren in der Blasenwand und senden Signale über das Rückenmark ans Gehirn: „Hey, es wird langsam voll hier!“

 

Das Gehirn verarbeitet diese Info und schickt, wenn der Zeitpunkt passt, die Freigabe zurück: „Alles klar, du darfst loslassen.“

 

Dafür braucht es allerdings:

  1. die Fähigkeit, den Harndrang wahrzunehmen (Körperinnenwahrnehmung),

  2. eine funktionierende Nervenleitung (somatisch & vegetativ),

  3. die bewusste Kontrolle über den Beckenboden und die äusseren Schliessmuskeln.

  4. die mentale Fähigkeit sich im richtigen Moment zu entspannen, abzuschalten und loszulassen.

Was passiert genau, wenn wir „loslassen“?

Der Körper reguliert das Wasserlassen über zwei Schliessmuskel:

  • Den inneren Schliessmuskel (glatte Muskulatur, auch Sphinkter genannt) – er arbeitet unwillkürlich, also automatisch.

  • Den äusseren Schliessmuskel (quergestreifte Muskulatur) – er lässt sich bewusst ansteuern, also z. B. auch zurückhalten.

So und jetzt kommts: schon bei Babys ist diese bewusste Steuerung aktiv! Sie senden Signale an ihre Eltern, die signalisieren ich muss mal. Wenn die Eltern diese Signale erkennen können, z.B. plötzliche körperliche Unruhe, der Laut „he he“, Speichelbläschen vor dem Mund und weitere, je nach Kind auch verschiedene Signale, und daraufhin dem Baby die Möglichkeit bieten, sein Geschäft ausserhalb der Windel über einem Abhaltetöpfchen oder über dem WC oder dem Waschbecken zu verrichten, bleibt die angeborene Fähigkeit erhalten, die Blase willkürlich anzusteuern.

 

Denn: Die Kommunikation zwischen Blase und Gehirn funktioniert von Anfang an – so ähnlich wie eine Strasse, die täglich befahren wird. Je häufiger ein Kind (z. B. durch Windelfrei oder frühes Abhalten) mit dieser Info arbeitet, desto „breiter“ und effizienter bleibt diese Strasse.

Von der Autobahn zur Sackgasse – oder umgekehrt?

Man kann sich das wie ein Strassennetz vorstellen:

  • Werden die Ausscheidungssignale regelmässig wahrgenommen und das abgehalten → 🛣️ Autobahn

  • Wird mit Stoffwindeln gewickelt aka gibt es ein Nässefeedback → 🛤️ Landstrasse

  • Wird mit Einwegwindeln gewickelt aka kein Nässefeedback →  🥾Trampelpfad

Kinder, die lange wenig Rückmeldung erhalten (weil Einwegwindeln trocken halten), verlieren die feine Wahrnehmung dafür, was in ihrem Körper passiert. Der Harndrang wird quasi „überhört“ – bis es plötzlich dringend ist oder bis die Blase überläuft.

 

Die gute Nachricht: Das Gehirn kann neue Wege bauen. Je mehr wir die Kinder unterstützen, wieder in Kontakt mit ihrem Körper zu kommen, desto schneller funktioniert die Kommunikation wieder. Beim Start des Lernprozesses zum selbstständigen Trockenwerden beginnt also jedes Kind wieder seine eigene „Strasse“ wieder zur Autobahn auszubauen. Je nachdem welche Art der Strasse das Kind ausbaut, hat es eine längere oder kürzere Bauphase. Natürlich spielt auch der Zustand der Baumschinen eine zentrale Rolle, das entspricht der Förderung durch uns Eltern.

Was bedeutet das fürs Trockenwerden?

Eltern fragen oft: „Wann ist mein Kind bereit?“
Die bessere Frage wäre: „Wie kann ich meinem Kind helfen, die Sprache seines Körpers zu verstehen?“

 

Denn Trockenwerden ist kein Ziel auf einer Checkliste. Es ist ein Lernprozess, innerhalb welchem die Kinder ihre Blase-Hirn-Kommunikation  wieder ausbauen. Und dieser Prozess braucht:

  • Vertrauen ins eigene Körpergefühl

  • Erwachsene, die Sicherheit und Verständnis vermitteln

  • Werkzeuge wie eine ans Kind angepasste Umgebungsgestaltung, achtsame Kommunikation, praktische Kleidung & aufs Kind abgestimmte Routinen

Fazit: Trockenwerden beginnt im Kopf – nicht im Töpfchen

Wenn wir verstehen, wie fein abgestimmt die Blase-Hirn-Kommunikation eigentlich ist, wird auch klar, warum jedes Kind seinen eigenen Weg braucht. Druck, starre Trainings oder Belohnungssysteme führen oft dazu, dass Kinder „zumachen“ – körperlich wie emotional.

Stattdessen lohnt sich ein genauer Blick auf die Körpersignale, eine respektvolle Begleitung und vor allem: Zeit.

 

Und falls du gerade an genau diesem Punkt bist, an dem du nicht mehr weiterweisst: Ich begleite dich und dein Kind gern auf dem Weg zurück zur Verbindung mit dem eigenen Körper. Schritt für Schritt, liebevoll und fundiert.

Und erhalte Antworten auf deine Fragen, die euch wirklich weiterbringen.

 

Liebe Grüsse,

Anja

 

Deine Expertin für achtsames Trockenwerden & Begleitung bei Ausscheidungsstörungen

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Nach oben scrollen